KiM November 2015
KiM November 2015

„Unsere Opfer zählen nicht!“

Über die Rolle und Verluste der „Dritten Welt“ während des Zweiten Weltkrieges

Die Überschrift klingt wie ein Ruf an der Klagemauer. In ihr kristallisiert sich die Aufarbeitung des Zweiten Weltkrieges in der „Dritten Welt“. Ein vergessenes, aber bedeutendes Geschichtskapitel. Bis jetzt im politischen Diskurs und in der Geschichtsschreibung verdrängt, ignoriert , bewusst oder unbewusst. Anlässlich des 70. Jahrestages des Kriegsendes in Europa begann daher der Marburger Weltladen in Kooperation mit diversen Institutionen dieses Jahr ein Mammutprojekt zum Thema „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“. Die Auftaktveranstaltung begann mit einem Referat des Journalisten Karl Rössel. Er gehört zum Kölner Journalistenteam „Recherche International“, das Menschen aus der „Dritten Welt“ zu Wort kommen lässt, die ihre Version der Geschichte erzählen. Dessen Buch „Unsere Opferzählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ ist die Grundlage für das Marburger Projekt. Der Marburger Weltladen legt damit einen Finger in die Wunde des aktuellen gesellschaftspolitischen Geschehens. Das beherrschende Thema in Deutschland und Europa ist der Flüchtlingsexodus. Tatsächlich ist die 1951 von der internationalen Gemeinschaft verabschiedete Genfer Flüchtlingskonvention die Folge des vom „Nazi-Deutschland“ ausgelösten Zweiten Weltkrieges. Heute droht Europa an der aktuellen Flüchtlingskrise zu zerbrechen. Das Prinzip der Solidarität gegenüber Nichteuropäern, aber auch der Europäer untereinander, steht zur Diskussion. „Wenn Europa in der Flüchtlingsfrage versagt, dann ginge ein entscheidender Gründungsimpuls eines geeinten Europas verloren” , so Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Bundestagsgeneraldebatte am 09.09.2015.

Geschichtsaufarbeitung am Ende?

Wieviel weiß man hierzulande über Rolle und Verluste der „Dritten Welt“ im Zweiten Weltkrieg? „Ich habe das Thema mal angekratzt. […] Es ist für mich ein reiner Selbstschutz, weil ich viele Dinge einfach zu brutal und zu grausam fand. Ich hab’s verdrängt und nicht weiter intensiviert und möchte es ehrlich gesagt nicht wirklich wissen“, erklärte eine Marburgerin in einer Sendung von Radio Marimba des Weltladens. Solche Reaktionen des „Schockiert- und Überraschtseins“ sind in Deutschland allgegenwärtig und belegen einen eurozentrischen Umgang mit der Geschichte des Zweiten Weltkrieges. Einige meinen, die Geschichte des größten militärischen Konfliktes, den es je gab, sei längst aufgearbeitet. Von einem abgeschlossenen Aufarbeitungsprozess kann aber nicht die Rede sein, da mindestens die Hälfte seiner Geschichte und die der Befreiung Europas vom Faschismus noch nicht erzählt wurde. Trotz unzähliger Kriegsopfer, schwerer Kriegsschäden und verheerender Folgen des Krieges in der „Dritten Welt“ bis heute findet man in europäischen Geschichtsbüchern kaum Informationen darüber. „Die Geschichte des Zweiten Weltkriegs erweist sich … als die der Sieger, aber auch als die der Besitzenden und Wohlhabenden. […] Diejenigen aber, die nach dem Krieg vergessen wurden, als ob sie während des Krieges gar nicht existiert hätten, die mit ihren eigenen Kindern die Geschichte neu erlernen müssen, ohne eigene Taten in dieser Geschichtsschreibung wiederzufinden, gehören zu den eigentlichen Verlierern. … ohne eigene Stimme, so leben bis heute noch Hunderte Millionen Menschen mit ihren Nachkommen in Afrika, Asien, Lateinamerika, in Australien und in der Pazifikregion“, so Prinz Kum’a Ndumbe (Geschichtsprofessor an der Universität Jaunde, Kamerun) im Vorwort des Buches „Unsere Opfer zählen nicht – Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ von „Recherche International e. V.“.

Verdrehte Geschichte mit eurozentristischen Unterton

Die gängigen Angaben über den Zweiten Weltkrieg sind zweifelhafter denn je geworden. Jene Angaben gelten für den Kontinent Europa, nicht aber für die ganze Welt. Nach gängiger Geschichtsschreibung begann der Zweite Weltkrieg am 1. September 1939 mit dem deutschen Überfall auf Polen.

Peter Donatus (Foto: Privat)
Peter Donatus (Foto: Privat)

Peter Donatus: Initiator und Koordinator des Marburger Projektes „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ des Marburger Weltladens. Der 49-jährige aus Nigeria stammende freie Journalist ist Umwelt- und Menschenrechtsaktivist und kämpft seit mehr als drei Jahrzehnte gegen die Umweltverwüstung und somit die Vernichtung von Lebensgrundlagen im Nigerdelta von Nigeria durch Ölmultis: Seine anderen Arbeitsschwerpunkte sind: Migration und Flüchtlingspolitik.

In Afrika jedoch begann der Zweite Weltkrieg 1935 mit dem Übergriff Italiens auf das unabhängige Land Äthiopien. Es handelte sich dabei nicht um einen regionalen Krieg, in dem rund 150.000 Zivilisten allein in den ersten sieben Kriegsmonaten starben und in dem sogar Senfgas zum Einsatz kam, wie Italien erst 1995 zugab. Tatsächlich waren an diesem Krieg ungefähr 17 Länder aus drei Kontinenten beteiligt. In Asien begann der Zweite Weltkrieg am 7. Juli 1937 mit dem Überfall japanischer Truppen auf China. Der Zweite Weltkrieg endete zwar in Europa mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945, in Asien jedoch endete er offiziell erst nach der Kapitulation Japans am 2. September 1945. Versprengte japanische Truppen setzten auf einigen pazifischen Inseln den Krieg danach noch fort. Es sind mehr Menschen der „Dritten Welt“ in diesem Krieg umgekommen als in Europa und Japan zusammen. In China gab es fast 25 Millionen Tote, mehr als in der Sowjetunion. Ca. 90 Millionen Chinesen wurden vertrieben. Die Toten aus anderen Teilen Asiens sowie aus Afrika, Ozeanien und Südamerika kommen in den Statistiken erst gar nicht vor. So starben bei der Befreiung der philippinischen Hauptstadt Manila von den japanischen Besatzern mehr Zivilisten als in Berlin, Dresden oder Köln.

Europas vergessene Befreier

Chamorro Frau von der Insel Guam 1944 nach der Befreiung von japanischer Besatzung. (Quelle: National Archives, U.S. Marine Corps)
Chamorro Frau von der Insel Guam 1944 nach der Befreiung von japanischer Besatzung. (Quelle: National Archives, U.S. Marine Corps)

Millionen Soldaten aus der „Dritten Welt“ haben im Zweiten Weltkrieg gekämpft, um die Welt vom deutschen, italienischen und japanischen Faschismus zu befreien: Kolonialsoldaten aus Afrika, Inder und Pazifikinsulaner, Juden und Araber, Mexikaner und Brasilianer, Aborigines und Maoris, Afroamerikaner und Native Americans. Meist zwangsrekrutiert und als Kanonenfutter an vorderster Kriegsfront missbraucht. Ausgegrenzt, ausgetrickst, ausgebeutet, getötet. Undokumentiert und vergessen. Die Kolonialsoldaten wussten oft noch nicht mal, wofür sie kämpften, und mussten teilweise sogar mehrmals die Fronten wechseln. Die Befreiung vom Faschismus ohne den Beitrag der „Dritten Welt“ wäre unmöglich gewesen. Allein 2,5 Millionen Inder kämpften für Großbritannien. Weite Teile der „Dritten Welt“ dienten als Schlachtfelder. Nach Kriegsende blieben verwüstete, verminte und vollmilitarisierte Regionen und ruinierte Wirtschafts- und Gesellschaftsstrukturen zurück. Wiederaufbauhilfe, einen „Marshallplan“, gab es nicht. Paradoxerweise erhielten die Kriegsverursacher wie Deutschland und Japan Wiederaufbauhilfen, die die „Dritte Welt“ wiederum mitfinanzierte. Die Kolonialsoldaten waren mit einfachen Macheten oder Waffen aus dem Ersten Weltkrieg ausgestattet und besaßen fast keine militärische Ausbildung. Viele mussten barfuß im Dschungel kämpfen. Sie bekamen für ihren Einsatz weniger Sold, Prämien und Rente als ihre „weißen Kameraden“. Oft wurden sie gar nicht ausgezahlt, was zu Protesten der Soldaten bei ihrer Heimkehr führte. Viele wurden bei solchen Protesten massakriert und inhaftiert, z. B. im Senegal 1944 und in Algerien 1945. Die Kolonialherren antworteten auf die Kriegsdienstverweigerungen, Proteste und Meutereien mit Prügel-, Haft- und Todesstrafen sowie außergerichtlichen Hinrichtungen.

Es gab nicht nur Hiroshima …

Japanische Militärs verschleppten Hunderttausende Frauen aus Asien in ihre Frontbordelle, wo diese als „Comfort Women“ (Trostfrauen) vergewaltigt und missbraucht wurden. Die eingerichteten Bordelle nannten die Japaner „Comfort Stations“. In ihnen entrichteten die Frauen Zwangsarbeit: Sex zur Befriedung und zur Steigerung der Moral japanischer Truppen an den Fronten. Die konservative Regierung Japans lehnt die Forderung der Opfer nach offizieller Entschuldigung bis heute kategorisch ab. Es gäbe keine Beweise, heißt es stets.

Afrika - zwangsbewirtschaftet für den Krieg

Aitape, Papua Neuguinea, August 1944. Auf Befehl weißer Offiziere mussten die Insulaner alles, was die kriegführenden Armeen brauchten, über glitschige Pfade ins umkämpfte Gebirge Neuguineas schleppen. (Quelle: National Archives, U.S. Army Signal Corps)
Aitape, Papua Neuguinea, August 1944. Auf Befehl weißer Offiziere mussten die Insulaner alles, was die kriegführenden Armeen brauchten, über glitschige Pfade ins umkämpfte Gebirge Neuguineas schleppen. (Quelle: National Archives, U.S. Army Signal Corps)

Wie brisant die Dimension von Beteiligung und Verluste der „Dritten Welt“ während des Krieges ist, zeigt das Beispiel Afrika. Dieser Krieg ist der „größte historische Einschnitt für Afrika seit dem Sklavenhandel und der Zerstückelung des afrikanischen Kontinentes bei der Berliner Kongo-Konferenz im Jahre 1884/1885“, schreibt Joseph Ki-Zerbo, Historiker aus Burkina Faso. Die Ereignisse dieses Krieges trafen Afrika besonders hart, da noch weite Teile unter Kolonialherrschaft bzw. Apartheidregimen standen. „Wir müssen für unser Volk mehr Raum haben und darum Kolonien“, so 1928 der stellv. Präsident der deutschen Kolonialgesellschaft und spätere Bundeskanzler Konrad Adenauer. Es gehörte zu den erklärten Zielen der Nazis, die nach dem Ersten Weltkrieg verlorenen Kolonien Afrikas zurückzugewinnen, um somit die angebliche „Schande von Versailles“ wiedergutzumachen. Bereits 1933 richtete die NSDAP eine Kolonialabteilung ein mit dem Ziel, ein „germanischen Kolonialreich“ in Afrika als Ergänzungsraum für das „Deutsche Großreich“ zu etablieren. Ursprünglich sollten ca. vier Millionen Juden auf die ostafrikanische Insel Madagaskar deportiert werden, obwohl klar war, dass so viele Menschen dort niemals überlebt hätten. Nur die überlegene britische Seeflotte verhinderte, dass Madagaskar zum Schauplatz eines Holocausts wurde.

Boucle du Doubs, Nordfrankreich, Oktober 1944, Afrikanische Kolonialsoldaten beim Winterfeldzug (Quelle: S.I.R.P.A.)
Boucle du Doubs, Nordfrankreich, Oktober 1944, Afrikanische Kolonialsoldaten beim Winterfeldzug (Quelle: S.I.R.P.A.)

Die millionenfach zwangsrekrutierten Afrikaner unterlagen strengster Rassentrennung, selbst an den Kriegsfronten. De Gaulles Befreiungsarmee des Freien Frankreichs bestand z. B. bis zu 65 % aus Afrikanern. Aber es gab de facto keine schwarzen Offiziere, da die Schwarzen laut Kolonialherren angeblich in vielerlei Hinsicht den Geisteszustand von Kindern hätten. So waren sie auf beiden Seiten Kanonenfutter, etwa 1944 gegen japanische Truppen in Burma, da Afrikaner Hitze und Dschungel angeblich besser aushalten als die Weißen. Unzählige kamen ums Leben. Tausende gerieten in deutsche Kriegsgefangenschaft und wurden in KZ’s ermordet. „Gegenüber eingeborenen Gefangenen ist jede Milde fehl am Platze“, so der damalige Stabschef der Panzergruppe „Guderian“, Oberst Walter Nehring. Es gab in Afrika millionenfach Zwangsarbeiter. Obwohl die Sklaverei offiziell abgeschafft und die Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation gegen Zwangsarbeit 1930 verabschiedet wurde, missachteten alle beteiligten Kriegsherren diese Konvention. Statt von Zwangsarbeit sprachen sie von „Arbeitspflicht“, die die Eingeborenen aus ihrer Barbarei herausführen sollte. Afrikaner wurden in Minen und Farmen verschickt, ließen ihre eigenen Felder im Stich. Die Subsistenzwirtschaft wurde durch Monokultur ersetzt. Monopole wurden gebildet, rigide Devisenkontrolle verhängt. So wurde die Subsistenzwirtschaft zerschlagen, mit verheerenden Folgen bis in die Gegenwart hinein. Afrika diente also als Rohstoff reservoir für die Kriegswirtschaft – und als Nahrungsmitteldepot und Geldbörse: Die Kriegsherren baten die armen Afrikaner um Spenden für die Soldaten in deutscher Kriegsgefangenschaft, für die Anschaffung von Kriegsgeräten und Munition und für den Wiederaufbau zerstörter europäischer Städte. Alles Mögliche wurde gespendet und gesammelt. In zahlreichen afrikanischen Städten und Dörfern wurden sogenannte „Spendenbarometer“ eingerichtet. Erreichte ein Ort bei den Spendenaktionen z. B. den Anschaffungspreis für ein britisches Kampfflugzeug „Spit-Fire“ (zu Deutsch etwa: Feuerspucker), so wurde dieses nach dem Ort benannt. Deshalb gab es mehrere solche Flugzeuge mit dem Namen Mombasa, Kalahari, Sierra Leone usw. Insgesamt sollen Afrikaner sechs Millionen Britische Pfund für den Wiederaufbau in Europa bar gespendet haben. Das sind 73,02 Millionen Reichsmark (Stand 1938: 1 Pfund = 12,17 Reichsmark). Zum Vergleich: Der Zwangskredit der griechischen Zentralbank an der Reichsbank 1942 betrug 476 Millionen Reichsmark. Heute fordern die Griechen über 300 Milliarden Euro zurück. Nach der Befreiung Europas vom Faschismus forderten viele Kolonialisierte die Unabhängigkeit ihrer Länder, zumal 1941 Churchill und Roosevelt die berühmte Atlantikcharta unterzeichnet hatten, die den Kolonialisierten das Selbstbestimmungsrecht nach dem Kriegsende versprach. Doch die meisten afrikanischen Staaten wurden erst in den 1960ern „politisch unabhängig“! Solange brauchten die Kolonialherren Afrika noch, um Kriegsschulden zu begleichen und den Marshallplan zu finanzieren. Im hiesigen Geschichtsdiskurs werden diese Fakten bis heute ignoriert. Dies erklärt die Bedeutsamkeit eines solchen Projekts zur Aufarbeitung verdrängter Geschichte. Vom 11. 11. bis 18. 12. wird in Marburg die große Fassung der Wanderausstellung über das Thema im Foyer des Hörsaalgebäudes der Philipps-Universität in der Biegenstraße gezeigt. Als Begleitprogramm gibt es u. a. Vorträge von namhaften Personen. Weitere Informationen zur Ausstellung sowie zu weiteren geplanten Aktivitäten des Projekts unter: www.marburger-weltladen. de.

Jugend in Südafrika und Deutschland - Besuch aus Moretele

Besuch aus Moretele (Foto: Privat)
Besuch aus Moretele (Foto: Privat)

Von Mitte September bis zum 4. Oktober besuchte eine junge Delegation aus unserem Partnerkirchenkreis Moretele Marburg. Leitthema der Begegnung war „Jugend in Deutschland und Südafrika - Chancen und Herausforderungen“. Neben vielen Gesprächen, Vorträgen und Besuchen, u. a. bei OB Egon Vaupel, im Jugendamt Marburg, in Fleckenbühl, der AIDS-Hilfe Marburg oder dem Stadtteil Richtsberg mit dem Richtsbergmobil gehörte zu den Höhepunkten die Teilnahme am diesjährigen Konfi@Castle auf Burg Rothenfels, auf dem sich viele Kontakte zu Konfirmanden und Teamern ergaben. Ein weiterer Höhepunkt war der ganztägige Besuch in drei Marburger Schulen, wobei Schülerinnen der Käthe-Kollwitz- Schule, der Steinmühle und der Elisabethschule die sieben Besucher in ihren jeweiligen Schulalltag mitnahmen und sie hautnah erleben ließen, wie Jugendliche in Deutschland „ticken“. Den Abschluss machte eine große „Farewell“-Party, auf der die Gastgebenden sowie viele Engagierte der letzten Wochen von unseren Gästen Abschied nahmen.

Richtsberg-Mobil erhält Elisabeth-Sozialpreis

Richtsberg-Mobil erhält Elisabeth-Sozialpreis (Foto: Diakonie Hessen)
Richtsberg-Mobil erhält Elisabeth-Sozialpreis (Foto: Diakonie Hessen)

Unser Projekt der aufsuchenden mobilen Jugendarbeit wurde am 16. September 2015 im Hessischen Landtag mit dem Elisabeth-Sozialpreis 2015 der Stiftung Diakonie Hessen ausgezeichnet. Vor etwa 150 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kirche wurde den Projektverantwortlichen Inge Schmidt, Regina Drechsel, Daniel Wegner (Ev. Kirche), Doreen Rother und Karin Ackermann-Feulner (BSF) die Urkunde überreicht. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Unter dem Aspekt Inklusion wurde das Projekt insbesondere für das friedliche Miteinander unterschiedlicher Kulturen, Religionen und Alterszugehörigkeit gewürdigt. Hervorgehoben wurde das Engagement der Kirchengemeinde für den Stadtteil und die Beteiligung unterschiedlichster Menschen. Seit vier Jahren trägt das Projekt im Stadtteil dazu bei, soziale Armut unter Jugendlichen und deren Familien zu bekämpfen, Perspektiven zu entwickeln und durch gemeinwesen-diakonisches Engagement zum Frieden und Gerechtigkeit im Stadtteil beizutragen. Über 460 Jugendliche wurden bislang erreicht. Im Moment bedeutet das Projekt für jugendliche Flüchtlinge aus dem Irak, Afghanistan und Syrien eine bedeutsame Anlaufstelle vor Ort. Weil Projektmittel auslaufen, ist aber die Finanzierung für 2016 bislang leider noch nicht gesichert. Wenn Sie mithelfen können und wollen, dass das Projekt auch in Zukunft die gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen am Richtsberg ermöglicht, unterstützen Sie uns gerne mit einer Einzel- bzw. Dauerspende und erzählen Sie weiter von dieser Arbeit.

Kirchenkreisamt Marburg IBAN: DE81 5206 0410 0002 8001 01

BIC: GENODEF1EK1 (EB Kassel)

Verwendungszweck „Jugendarbeit Richtsberg 2016“

Halloween

Fulda (bpf). Halloween ist in den letzten Jahren als das Fest der leuchtenden Kürbisköpfe, Gruselpartys und Geisterumzüge aus den USA nach Deutschland gekommen. Es wird in der Nacht vom 31. Okt. auf den 1. Nov. gefeiert. Einerseits lässt es sich als eine Art Winterkarneval begreifen, der sehr stark kommerzialisiert und auf Konsum ausgerichtet ist. Andererseits ist es, wenn es von den Menschen wirklich als ein Fest der bösen Geister ernst genommen wird, auch ein Ausdruck des Neuheidentums. Die Ursprünge von Halloween liegen in vorchristlichen Bräuchen im keltischen Irland, ähnlich dem Saturnalienfest vor dem römischen Neujahr. Die keltischen Druiden feierten ursprünglich damit das Sommerende. Heidnischer Vorstellung nach suchten die Toten in der Nacht des 31. Oktober die Lebenden, um deren Körper für das nächste Jahr in Besitz zu nehmen. Zur Abschreckung der bösen Geister verkleideten sich die Menschen und spukten selbst bei Nacht durch die Straßen. Halloween hat seinen Namen erhalten, dadurch dass die Kirche den heidnischen Brauch des Druidenfestes in Irland im 9. Jahrhundert als „All Hallows’ Eve“, den Vorabend von Allerheiligen, tolerierte. Die Iren, die Mitte des 19. Jahrhunderts ihr Land wegen der großen Hungersnot verließen, machten das Fest in den USA populär. Dort kam es dann zu dem Brauch, Kürbisse auszuhöhlen, ihnen eine gruselige Fratze zu geben, sie mit einer Kerze zu beleuchten oder in Geisterzügen durch die Straßen zu gehen. Amerikanische Kinder sagen „Trick or treat“, wenn sie mit ihren Kürbissen von Haus zu Haus gehen, um Süßigkeiten zu erheischen. „Trick or treat“ meint, entweder sie bekommen Süßigkeiten oder sie spielen einen Streich.

Allerheiligen und Allerseelen

Fulda (bpf). An Allerheiligen (1. Nov.) gedenken die Chris - ten der Verstorbenen. Ursprünglich war dieser Tag jedoch ein österliches Fest, an dem die Kirche an die unbekannten Heiligen erinnerte. Der neue Festtermin 1. November entstand in Irland im 8./9. Jahrhundert. Durch die irisch-schottischen Mönche gelangte das Allerheiligkeitsfest im 9. Jahrhundert auf den Kontinent. Als Initiator gilt der Theologe Alkuin. Allerheiligen ist nicht allein das Fest der offiziell Heiliggesprochenen, denn an diesem Tag bekennt die Kirche, dass es eine große Schar von Heiligen aus allen Zeiten und Völkern gebe. Die Katholische Christenheit glaubt, dass viele Verstorbene wie Heilige verehrt werden können. Von diesen Menschen wird angenommen, dass sie die höchste Vollendung ihres Lebens in Gemeinschaft mit Gott erreicht haben. Die erste förmliche Heiligsprechung (Kanonisation) durch den Papst erfolgte für den hl. Ulrich von Augsburg (923-973) im Jahre 993. Allerseelen (2. Nov.) ist der eigentliche Totengedenktag. Die Kirche feiert beide Festtage in der Überzeugung, dass durch Jesus Christus eine Verbindung zwischen Lebenden und Toten besteht. Der Allerseelentag etablierte sich seit dem Hochmittelalter, befördert durch das burgundische Benediktinerkloster Cluny. An diesem Tag wird jener Toten gedacht, die sich, so nimmt die Kirche an, in einem Reinigungszustand befinden und noch keine volle Gemeinschaft mit Gott erreicht haben. Für diese Menschen wird gebetet, um ihnen zu helfen. Allerheiligen ist in Baden- Württemberg, Bayern, Nord - rhein-Westfalen, Rheinland- Pfalz und im Saarland gesetzlicher Feiertag.

Nach langen Verhandlungen: Gelassenheit

Gemeinsames Religionspädagogisches Institut (RPI) der beiden evangelischen Kirchen in Hessen eröffnet

Der hessische Kultusminister Alexander Lorz. Vorne hören zu Bischof Martin Hein (v.l.n.r.), Kirchenpräsident Volker Jung; Chefredakteur Arnd Brummer, Direktorin Gudrun Neebe.
Der hessische Kultusminister Alexander Lorz. Vorne hören zu Bischof Martin Hein (v.l.n.r.), Kirchenpräsident Volker Jung; Chefredakteur Arnd Brummer, Direktorin Gudrun Neebe.

„Religion braucht Bildung – Bildung braucht Religion“. Mit einer Nebenbemerkung formulierte Studienleiter Matthias Ullrich das Thema des Tages. Feierlich wurde am 12. September das RPI der Evangelischen Kirchen von Kurhessen-Waldeck (EKKW) und Hessen-Nassau (EKHN) eröffnet. Zukünftig werden Lehrende in Schulen, Kirchengemeinden und Kindergärten von dieser Zentrale und acht Filialen mit Lehrmaterialien zur Religionspädagogik versorgt. Dass es kein einfacher Weg war, die bisher getrennten Einrichtungen der beiden Landeskirchen zu einem Institut zu vereinigen, erinnerte sich die Direktorin des RPI, Pfarrerin Dr. Gudrun Neebe. In jahrelangen Verhandlungen mussten nicht nur inhaltliche und organisatorische Hürden überwunden werden, sondern ein Team wurde gebildet. Mittlerweile seien Skepsis und Sorge gewichen, freute sich Neebe. Stattdessen könnten nun die Arbeitsbereiche verstärkt werden und sogar im Bereich der Elemantarpädagogik von Kindertagesstätten und Grundschulen, der Medienpädagogik und des interreligiösen Lernens neu erschlossen werden. Dass tatsächlich ein Team entstanden ist, das harmoniert, wurde im Festgottesdienst spürbar, den die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des RPI mitgestalteten. „Sorgt euch nicht!“, Bischof Prof. Dr. Martin Hein (EKKW) legte das Jesuswort in seiner Predigt aus und bekannte zugleich, wie schwer das sei, sich nicht zu sorgen. In einem guten Sinn habe Religion immer mit Emanzipation und Freiheit zu tun, stellte der Präsident der EKHN Dr. Volker Jung fest. Jede Religion trage in sich das Potential zum Frieden und zur Gewalt. Ziel der religiösen Bildung sei der mündige Bürger, der zu Toleranz fähig sei und Verschiedenheit akzeptieren könne. Der Religionsunterricht habe seinen im Religionsverfassungsrecht begründeten Platz in der Bildung, stellte Jung fest, und unterstützte ausdrück - lich die Einführung von muslimischem Unterricht. Der hessische Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz (CDU) argumentierte in die gleiche Richtung. Er hob hervor, dass im Hessischen Schulgesetz die Entwicklung der Persönlichkeit einen vorrangigen Stellenwert genieße. Dazu gehöre die Vermittlung von Werten und das Einüben von Toleranz. „Ich bin Atheist. Gott sei Dank!“– Arnd Brummer zitierte eine widersprüchliche Aussage und verdeutlichte, dass im Leben viel mehr Religion stecke, als die Leute meinten.

Text u. Foto: Karl-Günter Balzer