Foto: Herby Sachs_pixelio.de
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Ich bin ein alter Mensch und habe oft über das Gebet geredet und geschrieben. Im Rückblick kommt mir dies alles so leichtzüngig und klug- scheißerisch vor. Wir wussten zu gut Bescheid über das Beten. Ich kenne einen einzigen Vorteil des Alters: Das man gelernt hat „ich weiß es nicht genau“ zu sagen, auch in den Dingen des Glaubens. Aber darf man über ein Herzstück des christlichen Glaubens schweigen, nur weil einem die Sprache schwer fällt? „Wenn wir nicht aufhören dürfen zu beten, so darf man vielleicht auch nicht aufhören, vom Gebet zu sprechen. So gut und schlecht davon zu sprechen, wie es einem gegeben ist“ (Karl Rahner). Also auf ins mutige Gestammle zu der Frage: Ist das Gebet ein Dialog?

Nein! Gebet ist im herkömmlichen Sinn kein Dialog. Zum Dialog gehört, dass Menschen sich im Gespräch sehen; dass sie nicht nur die Worte hören, die gewechselt werden, sondern auch die Miene, die Gesten und das Schweigen des Gegenübers wahrnehmen. Gott macht uns das Beten schwer, weil wir ihn nicht wahrnehmen, jedenfalls ihn nicht unmittelbar wahrnehmen, jeden falls die meisten Betenden nicht. Wir nehmen nicht einmal sein Schweigen wahr, wir nehmen nichts wahr. Wenn ich einen Freund in Amerika habe, mag ich „im Geist“ mit ihm reden, aber es ist kein Dialog, weil ich seine Miene nicht sehe, seine Antwort nicht höre. Ich will nicht sagen, dass es meine Freundschaft nicht weiterbringt, wenn ich im Geist mit jenem Freund rede, aber ein Dialog ist es nicht. Ein Dialog wäre es auch nicht, wenn ich mit jemandem redete, den ich sehe, der aber weder mit Worten noch mit Gesten noch mit Blicken auf meine Rede reagierte. Es geschähe in diesem Fall etwas Merkwürdiges: Meine Rede würde stocken. In dem antwortlosen Dialog würde ich mich selbst als Redenden wahrnehmen, und das würde meine Reden verwirren. Die prüfende Reflexion beim Akt des Sprechens ist der Tod der Sprache. Die Rede würde zum Monolog einfrieren. Man würde stammeln und endlich verstummend auf sich selbst zurückgeworfen. Wenn wir die biblische Tradition befragen, erzählt sie uns an vielen Stellen von unmittelbaren Sprachverhältnissen zwischen Gott und den Menschen. Gott spricht zu Abraham, und Abraham antwortet ihm . Wir erfahren von Rede und Gegenrede zwischen Gott und Mose. Die Propheten hören die Stimme Gottes und vermitteln sie dem Volk. Aber es scheint, dass im Verlauf der Glaubensgeschichte die Erzählungen von der unmittelbaren Wahrnehmung Gottes immer zögernder werden. In der Jesus-Geschichte erscheinen noch Engel, die eine Botschaft Gottes ausrichten. Es wird erzählt , dass Jesus betet und dass er die Frauen und Männer um ihn beten lehrt. Wir hören aber nichts davon, dass Gott ihm antwortet.


Fulbert Steffensky, geb. 1933,

studierte katholische und evangelische Theologie und lebte

13 Jahre lang als Benediktiner-mönch, bevor er evangelisch-lutherisch wurde. Der Mitbegründer

des Politischen Nachtgebets in Köln war Professor für Erziehungs-Wissenschaft und Religions-pädagogik in Köln und Hamburg, veröffentlichte zahlreiche Bücher zur

Glaubensfragen und wurde 2013 Träger des ökumenischen Predigt- preises. Die Redaktion dankt ihm für die Zurverfügungstellung dieses Beitrags.

Foto: privat

Gewiss, in der bitteren Stunde am Ölberg soll ein Engel ihn getröstet haben. Aber von einem Dialog, wie Abraham und Mose ihn mit Gott geführt haben, wissen wir nichts. Auch er musste glauben, dass seine Gebetsworte nicht in eisige Abgründe stürzen, sondern ein Gehör finden. Je erwachsener der Glaube wird, umso mehr verblassen die unmittelbaren Wahrnehmungen und Sicherheiten. Glauben ist glauben, und nicht sehen, hören, wahrnehmen. Die Glaubenden tanzen ihren Glauben ohne die Sicherheitsnetze der

sinnlichen Wahrnehmung. Die Gewissheit, dass Gott unsere Gebete hört, finden wir nur im Beten selbst. Mehr haben wir nicht. Der Glaube hält es aus in der dürftigen Zeichenlosigkeit. Nur die Betenden können die Frage vergessen, ob Gott hört. Man kann nicht schon vor dem Sprung davon überzeugt sein, dass man nicht ins Bodenlose stürzt. Man kann nicht vor dem Beten glauben, dass die Gebete keine Wahnsprache sind und nicht mehr als eine psychologische Selbstwiederholung oder ein Dialog mit sich selber.

Foto: Miriam Hofmann_pixelio.de
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Erhört Gott die Gebete? Hören und Erhören hängen im Wortstamm zusammen. Wenn Gott hört, heißt das ja nicht, dass er leiden- schaftslos wahrnimmt, was da Menschen stammeln. Das wirkliche Hören ist ein Akt der Liebe, der Teilnahme, des Mitleidens und des Berührtseins von der Stimme, die mich anredet. Erhört Gott? In

der Theologie behauptet man leicht, dass Gott die Wünsche der Menschen reinigt und sie auf höhere Weise erhört. Die Menschen wollen aber nicht auf höhere Weise erhört werden. Sie wollen Brot, wenn sie um Brot bitten. Die über 250.000, die im großen Tsunami 2004 umgekommen sind, wollten nicht umkommen, mehr nicht.

Viele haben damals vermutlich gebetet und sie sind umgekommen.

So ist ihr Ruf verständlich, den schon die Psalmen kannten:

Wo bist du, Gott? Warum schweigst du, Gott? Ich rufe zu dir, und du hörst nicht. Christus selbst ist am Kreuz die große Frage in den Mund gelegt: „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Auch er litt nicht nur seine Folterqualen, er litt am Schweigen Gottes. Es ist

eine Sache des Glaubens, und nicht der unmittelbaren Erfahrung,

dass unsere Gebete erhört werden. Gebetserhörung wird wohl das sein, was wir als Gebetserhörung interpretieren. Viele rechtfertigen das Gebet, indem sie auf die sichtbaren Gebetserhörungen hinweisen.

Foto: S. Hofschlaeger_pixelio.de
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Ich lese eine amerikanische Untersuchung über den Nutzen von Religion. Gebetsgruppen begleiten eine Anzahl von Krebskranken, ohne dass diese das wissen. Eine Kontrollgruppe von Patienten mit den gleichen Phänomen und dem gleichen Leiden bleiben ohne Gebetsbegleitung. Das behauptete Ergebnis: Die im Gebet begleiteten Kranken ertragen ihr Leiden besser und werden häufiger

wieder gesund. Also: Religion ist nützlich. Es gibt viele Verzweckungen dieser Art: Wer glaubt, hat einen besseren Schlaf, er übersteht Krankheiten besser und hat mehr geschäftliche Erfolge. Es gibt viele christliche Gruppen, die mit diesen Zweckargumenten für den Glauben werben. Leider erfahren die meisten Betenden, dass

ihre Gebete für Zwecke recht ungeeignet sind. Den Glauben mit Zwecken zu rechtfertigen, könnte die Zerstörung seiner inneren Schönheit bedeuten. Jesus jedenfalls ist mit seinem Glauben nicht besser durchs Leben gekommen. Die großen Figuren der Christentumsgeschichte wurden in ihrem Glauben jedenfalls nicht schmerzensfreier, gesünder und schon gar nicht erfolgreicher. Auch in einer solchen Auffassung wird der Sinn in der Zweckhaftigkeit

und im Nutzen gesehen. Die Zwecke zerstören die Poesie. Ich benutze für den Glauben lieber eine ästhetische Kategorie. Es ist schön, das Leben nichtstumm zu lassen. Es ist schön, die Stimme im Gebet zum Dank zu erheben, zum Protest, zur Empörung. Es ist schön, im Abendmahl die Nähe Gottes zu den Menschen zu feiern. Ich frage nicht, wie viel Gnade es dabei gibt und wie viel Sünden

dabei vergeben werden. Ich will nicht bestreiten, dass das Gebet

und die große Aufführung des Glaubens in der Liturgie Folgen haben, die beschreibbar sind. Aber man kann sie nicht wegen ihrer Folgen und wegen ihres Nutzens wollen und praktizieren. Das wäre etwa so zerstörerisch, als wollte ich eine Frau küssen, damit sie mit ihrem

Geld rausrückt. Dass dies eine Zerstörung der Poesie des Küssens wäre, sieht jeder ein. Ein Dialog ist Anteilnahme, er ist nicht nur der Austausch kluger Argumente, jedenfalls wenn wir das Wort Dialog im Zusammenhang mit dem Gebet meinen. Es gibt ein Grunddatum

dieses Dialogs, dieser Teilnahme Gottes am Menschen, die Inkarnation. Gott hat sein eigenes Glück verlassen. Er ist Mensch geworden, sagen wir in holpriger Sprache. Er ist auf den Straßen unseres Glücks und unseres Unglücks gelaufen. Er hat die Spur seiner Güte eingeschrieben in diese Welt im Schicksal jenes konkreten Menschen Jesus von Nazareth. Man kann ihn treffen in allen Hungernden, die wir speisen, in allen Gefangenen, die wir besuchen, und in allen Heimatlosen, die wir beherbergen. Man trifft

ihn in jedem, der uns Brot gibt; in jeder, die uns Haus und Heimat

gibt, und in jedem, der die Ketten unserer Gefangenschaft zerbricht.

Foto: Jens Schulze_pixelio.de
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Dies ist ein Dialog, indem nicht nur kostenlose Worte getauscht werden, sondern Existenzen: Gottes Existenz, geflossen in unsere eigene; unsere Existenz, geborgen in seiner. Seine Existenz, geboren in unsere, das ist die Erhörung aller Gebete. Wenn dies wahr ist, sind wir gehört und erhört vor jeder Sprache. Was aber sollen dann noch Gebete? Das Leben findet nicht hinter dem Rücken der Sprachestatt, und die Sprache ist eine der großen Lebensschönheiten. Es hat keinen Zweck, aber es ist schön, dass wir das Leben nicht stumm lassen, sondern Gott preisen im Licht des Morgensund in der Dunkelheit der Nacht. Es bringt keinen Nutzen, aber wir werden Menschen, wenn wir unser Unglück hinausschreien und mit dem stummen Einverständnis mit dem Unglückbrechen. Es ist schön, wenn wir Lieder zur Ehre Gottessingen. Die Frage, ob Gott eine Person ist, lasse ich hinter mir. Aber sprechen und streiten kann ich nur mit einer Person, loben und lieben kann ich nur eine Person. Weniger als eine Person ist er jedenfalls nicht, sofern er lebt. So sind mir die personalen Begriffe ein schwankender Steg für die Sprache meines Glaubens. Das Beten ist schwer, weil wir alle in unserer Gesellschaft in die Gefangenschaft des Effiziensdenkens geraten sind. Das Gebet in seiner hilflosen Schönheit kann sich nicht rechtfertigen. Nur was Zwecke hat, scheint gerechtfertigt. Das Gebet ist aber auch schwer, weil wir die Sitten des Betens verloren haben. Sitten sind die Gehhilfen des Herzens. Und endlich ist das Gebet schwer, weil wir glauben, dass es schwer sei. Vielleicht sind wir auch verliebt in das eigene Unvermögen. Am Schluss der kluge Satz von Karl Rahner: „Wenn du meinst, dein Herz könne nicht beten, dann bete mit dem Mund, knie, falte die Hände, sprich laut, selbst wenn dir all das wie eine Lüge vorkommt: Ich glaube, hilf meinem Unglaube!“

Foto: Rosel Eckstein_pixelio.de
Foto: Rosel Eckstein_pixelio.de

Mehr als nur ein Tischgebet

– evangelische Kindertagesstätten in Marburg

Birte Schlesselmann und Kathrin Wetzler, die Leitung des Philippshauses (re) Foto: Ines Dietrich
Birte Schlesselmann und Kathrin Wetzler, die Leitung des Philippshauses (re) Foto: Ines Dietrich

Die Marburger Kinderbetreuungs-Landschaft ist bunt und vielfältig: Da gibt es Montessori-,Wald- und Waldorfpädagogik, die Freie Schule, den Eltern-Kind-Verein, die städtischen Kindergärten und -tagesstätten und außerdem zahlreiche konfessionelle Einrichtungen der katholischen und evangelischen Kirche. Aber was unterscheidet die zehn evangelischen Häuser, in denen rund 700 Kinder Tag für Tag kompetent und dem Hessischen Bildungsplan entsprechend betreut werden, von nicht-konfessionellen Einrichtungen? Und: Muss man evangelisch sein, um sich dort wohlfühlen zu können? Kathrin Wetzler, eine der beiden Leiterinnendes Philippshaus-Kindergartens, lacht: „Zu uns kann jedes Kind kommen. Egal, ob es evangelisch ist, einer anderen oder gar keiner Konfession angehört. “Aber den Eltern sei bewusst, dass in einem evangelischen Kindergarten der Glaube und die Vermittlung christlicher Werte eine wichtige Rolle spielen. „Manchen Eltern ist der christliche Aspekt unserer Arbeit sehr wichtig, weshalb sie sich für einen evangelischen Kindergarten entschieden haben“, erzählt Kathrin Wetzler:„Andere wünschen sich, dass ihre Kinder die kirchlichen Traditionen kennen lernen können, obwohl sie selber nicht so leben. “Birte Schlesselmann, die Beauftragte der evangelischen Kindertageseinrichtungen fügt hinzu: „Grundsätzlich sind wir für alle Kinder offen! Unabhängig von der Konfession werden alle aufgenommen. Viele muslimische Eltern sagen etwa: Besserchristliche als gar keine religiösen Werte!" Und dann erzählt sie von einem muslimischen Mädchen, das beim Kindergarten-Weihnachtsgottesdienst in der Elisabethkirche unbedingt einen Engel spielen wollte und das auch durfte. Das Feiern der kirchlichen Feste nimmt Raum im Alltag ein, ebenso wie Gesprächs- und Erzählkreise, in denen biblische Geschichten erzählt und gespielt werden. „Wir haben einen Weihnachts- und einen Osterweg“,sagt Kathrin Wetzler und erzählt, wie gebannt die Kinder die Reise von Maria und Josef bis zum Stall von Bethlehem verfolgen – und wie gerne auch die Eltern dort beim Abholender Kinder stehen bleiben und sich so „ganz nebenbei“ ebenfalls mit der Weihnachtsgeschichteauseinander setzen. In den Marburger evangelischen Kindergärten wird, wie in allen anderen, natürlich auch gesungen. Das Repertoire ist vielfältig – Rolf Zuckowskis „Weihnachtsbäckerei“ wird hier ebenso geschmettert wie „Der Mai ist gekommen“. Aber hierlernen die Kinder außerdem klassische Choräle aus dem Gesangbuch. „Das tun wir natürlich auf kindgerechte Art und Weise, durch oftmalige Wiederholung und mit Bewegungen, die die Texte für das kindliche Verstehen öffnen sollen“, so Pfarrer Achim Ludwig. Am Ende jeder Kindergartenzeit im kirchlichen Kindergarten hätten die Kinder einen Fundus kirchlicher Musik kennen gelernt, auf den sie später als Schulkinder und Erwachsene zurückgreifen könnten. „Ich erlebe das als einen großen Schatz fürs Leben, den die Kinder hier bekommen“, sagt auch Kathrin Wetzler. Und noch eine Besonderheit bieten die evangelischen Kindergärten:Regelmäßig kommt der „zuständige“ Gemeindepfarrer zu Besuch und bildet so eine wichtige Brücke für Kinder und ihre Familien in die jeweiligen Gemeinden. „Die Kinder freuen sich auf diese Besuche“, sagt Kathrin Wetzler und erzählt von Geschichten, Liedern und Gesprächen und den gemeinsam vorbereiteten und durchgeführten Gottesdiensten, die gefeiert werden. Aber neben Tischgebet, kirchlichen Liedern und biblischen Geschichten „fließen christliche Fragen immer wieder in den Alltag ein“, sagt Kathrin Wetzler, etwa wenn es um Verlust, Angst oder Freundschaft oder ganz konkret um die Fragenach Gott geht. Nicht nur deshalb müssen die Erzieherinnen und Erzieher auch evangelisch sein oder einer anderen Kirche im Arbeitskreis christlicher Kirchen(ACK) angehören. Denn -über Glauben kann nur reden, wer sich selbst damit beschäftigt und so den Kindern gegenüber authentisch und ehrlich sein kann.

Ines Dietrich

Politiker loben Kirchenasyl

EKD-Ratsvorsitzender: Christlicher Beistand gegen unzumutbare Härten

 

Führende Politiker aus Bundestag und Bundesregierung haben sich hinter das Kirchenasyl gestellt. Wenn es als Ausnahme praktiziert werde, „ist es tolerabel und im Einzelfall auch vernünftig", erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert. Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte, dass die Kirchen in Einzelfällen Schutz gewährten, sei „eine christliche Tugend".Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zeigte sich erfreut über den jüngsten Kompromiss zwischen Kirchen und Behörden. Beide Seiten hatten sich in der vergangenen Woche nach einem heftigen Streit über das Kirchenasyl auf neue Regelungen verständigt. Die Kirchen sollen in einem sechsmonatigen Pilotprojekt Fälle, die in einem Kirchenasyl münden könnten, vom Migrations-Bundesamt überprüfen lassen. Das Amt verzichtet im Gegenzug darauf, die Abschiebefrist für die besonders umstrittenen Dublin-Fälle zu verlängern. Bedford-Strohm schrieb auf seiner Facebook-Seite, die Kirchen hätten noch einmal klargestellt, „dass das Kirchenasyl nie ein zweiter Rechtsweg sein kann". Es sei vielmehr Ausdruck eines christlich motivierten humanitären Beistands, „wenn befürchtet wird, dass einem Menschen bei seiner Abschiebung Menschenrechtsverletzungen oder unzumutbare Härten drohen. "Dass dieser Impuls nun auch von staatlicher Seite gewürdigt werde, sei gut.

epd-grafik/Oliver Hauptstock
epd-grafik/Oliver Hauptstock

Nach Angaben der Ökumenischen Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche leben zurzeit in Deutschland 411 Flüchtlinge in einem Kirchenasyl, darunter 125 Kinder. Die Zahl ist seit Anfang vergangenen Jahres mit der Ankunft von deutlich mehr Flüchtlingen in Deutschland stark gestiegen. 359 Menschen leben derzeit im Schutz einer Kirchengemeinde, um sich einer nach der Dublin-Regelung vorgesehenen Abschiebung in jenes EU-Land zu entziehen, über das sie in die Europäische Union eingereist sind. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die katholische Deutsche Bischofskonferenz haben sich mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge darauf verständigt, unter welchen Bedingungen in Zukunft Kirchenasyle unter Duldung des Staates fortbestehen können.

 

Lammert warnte in der „Welt" die Kirchen vor der Versuchung, „aus einem Ausnahmetatbestand eine heimliche Regel zumachen". Es gebe kein Kirchenasyl anstelle des geltenden Rechts. Maas sagte dem „Tagesspiegel am Sonntag", die Debatte solle „ohne jede Schärfe" geführt werden. Er habe keine Hinweise, dass Kirchengemeinden Flüchtlinge systematisch dem staatlichen Verfahren entzögen. Klar müsse sein, dass das Rechtsmonopol beim Staat liege und nicht bei den Kirchen. Die Zahl der Menschen im Kirchenasyl war in den vergangenen Monaten dramatisch gestiegen. Gegenwärtig befinden sich mindestens 411 Flüchtlinge in der Obhut evangelischer und katholischer Gemeinden. Die meisten von ihnen fallen unter die sogenannte Dublin-Regelung. Das bedeutet, dass sie über ein anderes EU-Land eingereist sind und eigentlich dort Asyl beantragen müssten. Die Behörden wollten die Abschiebefrist von sechs auf 18 Monate anheben. Dies hätte die Bedingungen für das Kirchenasyl stark erschwert. Bedford-Strohm zeigte sich dankbar, dass die drohende Fristverlängerung „nun jedenfalls vorerst aufgeschoben worden ist". Er sei zuversichtlich, dass der Umgang mit dem Mittel des Kirchenasyls in den Gemeinden dazu führen werde, dass die jetzt gefundene Regelung Bestand habe, erklärte der bayerische Landesbischof. Kirchengemeinden im Freistaat beherbergen rund 180 der gegenwärtig 411 Menschen im Kirchenasyl. Die evangelische Nordkirche sprach sich für eine grundlegend neue Flüchtlingspolitik aus. Menschen würden durch die Dublin-Regelung „wie Stückgut in Europa hin und her geschoben", heißt es in einer am Wochenende in Travemünde beschlossenen Erklärung der Kirchensynode. Die Verordnung führe zu Familientrennungen, Obdachlosigkeit und Inhaftierungen. Einige EU-Länder würden Flüchtlinge nicht menschenwürdig behandeln.

epd/GB